Samstag, 5. April 2003

Vorstellung Förderband 2 in Ettlingen



Badisches Neueste Nachrichten, 5. April 2003 zur Vorstellung des 2. "Förderbandes" ("ZeitSchriften) des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg in der Stadtbibliothek Ettlingen.
Der Ettlinger Autor Ulrich Zimmermann war schon immer ein großer Unterstützer der Literatur. Als Vorsitzender des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg ist er damit nicht nur am richtigen Platz, sondern hatte auch die segensreiche Idee, dessen Stipendiaten in jährlich erscheinenden Anthologien zu versammeln. Dass es sich dabei tatsächlich um einige der größten Talente im „Ländle“ handelt, bewies die Lesung von Angelika Overath, Joachim Zelter und Marcus Hammerschmitt in der Stadtbibliothek.
Overath las den Anfang eines Romans, an dem sie gerade schreibt. Es ist die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, die mit dem Tod der Mutter beginnt. Die Tochter Dara kommt zu spät ins Krankenhaus; ihre Mutter liegt tot im Bett: „Hier atmet die Mutter, die nicht mehr atmet“, stellt Dara fest. Nüchtern, aber nicht lieblos, erzählt Overath, wie die Tochter ins Haus der Toten geht. „Ein toter Mensch riecht nach, dort wo er gelebt hat“, konstatiert sie; in den übrig gebliebenen Kleidern scheint noch die Mutter zu stecken. „Der Geruch war monströs geworden und hatte die tote Mutter überstiegen.“ Angelika Overaths lakonische Erzählweise überzeugt durch Eindringlichkeit und Distanzierung zugleich.
Auch Joachim Zelters Erzählung spielt im Krankenhaus. Er schreibe an einer Art „Krankenhaus-Trilogie“, sagte er verschmitzt, ein Arztroman sei das jedoch nicht. Auf dem Weg zur Narkose vor seiner OP verliebt sich der Protagonist in die „Schleusenwärterin“, jene Frau mit Atemmaske, die ihn mit beruhigenden Worten über die „rote Demarkationslinie“ schiebt. Vor dieser Linie ist man noch wach, hinter ihr ist man unter Narkose bewusstlos. „Wie ein Slip“ sieht die Maske der jungen Frau aus, stellt der Verletzte erotisiert fest. Zelter ist ein brillanter Satiriker, der es versteht, den aberwitzigsten Situationen komische Aspekte abzugewinnen. Distiguiert und augenzwinkernd, mit fast britischem Humor fesselt er seine Zuhörer und Leser.
Marcus Hammerschmitts Held arbeitet in „Der Zentrale“. Er beobachtet dutzende von Bildschirmen - Überwachungskameras von Gästezimmern einer Art Hotel. Schnell stellt sich heraus, dass diese „Zentrale“ nur einem Zweck dient, nämlich dem promisken Geschlechtsverkehr. Die Videoüberwachung sorgt für den geregelten, drogen- und alkoholfreien Ablauf. Nur selten kommt es in den staatlich finanzierten und kontrollierten „Zentralen“ zu Unannehmlichkeiten wie Selbstmorden vor laufender Kamera. Natürlich ist Hammerschmitts Erzählung eine Art Science-Fiction, doch gleichzeitig hat man den Eindruck, dass die Realität der Fiktion schon sehr nahe kommt.Das ist witzig und beklemmend zugleich.
Nach der Lesung kündigte Kultur- und Sportamtsleiter Dr. Robert Determann an, dass die Stadt Ettlingen sich weiterhin in der Förderung von Literatur engagieren wird. Nach diesem Abend darf man darauf gespannt sein. Matthias Kehle

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