Freitag, 18. Oktober 2002

Für Menschenrechte.

Der P.E.N-Club setzt sich getreu seinem Motto „Für die Freiheit des Wortes“ international für verfolgte, im Exil lebende und in ihren Menschenrechten beschnittene Schriftsteller ein. Die 700 Mitglieder des deutschen Zentrums waren aufgefordert, Texte beizutragen. Texte gegen das Wegsehen, Weghören und das Schweigen angesichts von Gewalt, Rassismus und Entrechtung. Oder, wie es Karlheinz Frank lieber positiv formuliert: Für das Hinsehen, Zuhören und das Erheben der Stimme.
Im Feuilleton ist es zur Zeit gängig gerade den europäischen und sowieso den deutschen Intellektuellen ihr Schweigen vorzuwerfen. „Ich dachte, es schicken vielleicht 50 Kollegen Texte ein. Damit, dass es über 400 sein würden, von denen ich mir jetzt wohl 200 zu Feinden gemacht habe, damit habe ich nicht gerechnet.“ Karlhans Frank hatte die undankbare Aufgabe, die Texte zu sichten und Ablehnungsbescheide an namhafte Kollegen zu verschicken, denn nur anerkannten Autoren ist der Beitritt zum P.E.N. möglich.
Der vorliegende Band ist eine mehrfache Premiere. Herausgeber Frank hat zusätzlich zu seinen über 100 eigenen Büchern bereits mehrere Anthologien gemacht. Aber dies ist die erste, die er in Lesungen vorstellt. Und es ist auch die erste Anthologie von P.E.N-Autoren in dieser Breite und ohne lediglich internen Charakter.
Was darf man nun für Texte in einer solchen Anthologie erwarten? Moralinsaure Traktate über das Gutmenschentum? Fingerzeige auf politische Systeme und Kulturen, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen? Weit gefehlt.
Gedichte, Reportagen. Dokumente, Essays, Reden: All dies findet in dem 270 Seiten starken Band Raum – der doch ursprünglich nur 200 Seiten haben sollte. Der Humor kommt genau so wenig zu kurz wie die Aufarbeitung eigener historischer und gegenwärtiger Sünden. Da gibt es den makabren Abzählvers des Herausgebers selbst. „Hanne, Änne, Trine,/ im Wald liegt eine Mine./ Wer drauf tritt/ fliegt mit.“ Da sind die Erinnerungen älterer Autoren an ihre Jugend im Dritten Reich, in der sie entweder überzeugte „kleine Nazis“ oder Außenseiter waren. Da sind die Tagebuchblätter des Exil-Iraners SAID, der in peinlichem Realismus die alltägliche Diskriminierung von Menschen festhält, die in Deutschland Asyl erbeten und zu Recht erhalten haben. Da gibt es bittere Satiren, wie die Rollen-Rede von Christoph Heyn, der den Ausländern erklärt, dass man gar nichts gegen sie als Ausländer habe, sondern einfach Angst, dass deren Armut den eigenen Wohlstand gefährde. Neben der poetischen Parabel finden sich auch Frontalangriffe, wie die Rede von Günther Grass vor dem Europarat aus dem Jahr 2000, in der er Politiker wie Stoiber und Koch, die unter denen sind, die ein NPD-Verbot fordern, als Rassisten entlarvt und sich für die Rechte von Sinti und Roma einsetzt.
Eher zufällig erscheint der Band in der Reihe „Bertelsmann Jugendbuch“. Karlheinz Frank erklärt: „Das Buch ist nicht nur aber auch für Jugendliche lesbar.“ Das wäre zu wünschen: Dass nicht nur die neuen Generationen, sondern auch die bereits lebenden das Hinsehen, Hinhören und das Erheben der Stimmen lernen.

„Menschen sind Menschen. Überall. – P.E.N.-Autoren schreiben gegen Gewalt.“ Ausgewählt von Karlheinz Frank. C. Bertelsmann Taschenbuch (cbt). ISBN: 3-57030012-9. 7 EUR. [Amazon.de-Shop]

Für Menschenrechte.
Anthologie deutschsprachiger P.E.N-Autoren – Vorstellung im Schriftstellerhaus Stuttgart
„Menschen sind Menschen. Überall.“ Aber natürlich. Wer würde da widersprechen? Leider: die Wirklichkeit. Und glücklicherweise: die gleichnamige Anthologie von Autorinnen und Autoren des P.E.N.-Zentrums Deutschland (Poets, Essayists, Novelists), die ihr Herausgeber Karlhans Frank im Stuttgarter Schriftstellerhaus vorstellte.

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