Montag, 9. Mai 2005

„Asthmatische Kanarienvögel“

Eine Nasenflöte ist ein eher primitives Blasinstrument, nicht mehr als ein künstlicher Kanal aus Plastik mit einer schmalen Öffnung, an der sich austretende Luftverwirbelungen schneiden. Sie wurde vermutlich von pfiffgen Andenhirten ersonnen und ist mittlerweile für ein paar Cent im Spielwarenhandel erhältlich. Die musikalischen Möglichkeiten dieses Instruments überschreiten kaum die des gemeinen Gepfeifes mit geschürzten Lippen: Ein präzises Anstimmen von Tempo und Höhe der Pfeiftöne ist nahezu unmöglich.

Der Nasenflötist verfügt aber aufgrund des erweiterten Resonanzvolumens über einen größeren Dynamikspielraum - mit einer popeligen Nasenflöte lassen sich selbst gestandene Konzertposaunisten in Grund und Boden trällern. Das musikalische Potential des „Digeridoo des kleinen Mannes“ (spex) erkannte erstmals sechs nicht mehr ganz so junge Männer aus der Berliner Kunst- und Literaturszene rund um den Kultautor Thomas Kapielski. So schlossen sie sich Mitte der Neunziger zum „Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester“ zusammen, um auf dem Instrument fortan Klassiker der Trivial- und Hochkultur (von Bach bis zum Schlumpflied) einer neuen Interpretation zu unterziehen. Das Riechkolben-Ensemble ist inzwischen auf 10

Personen angewachsen und tritt in immer wieder wechselnder Zusammensetzung, u.a. zusammen mit Harry Rowohlt oder Stereo-Total-Mitglied Brezel Göring, auf. Auch zwei Tonträger sind inzwischen erschienen: das Debütalbum „Kuschelrotz“ sowie „Stille Tage in Rüsselsheim“ (Zweitausendeins-Verlag).



Die Live-Auftritte der Nasenflöten, welche zuweilen durchaus die Grenzlinie des guten Geschmacks streifen, rufen durchaus kontroverse Reaktionen hervor. Als „Truppe geschmacklos flötender Männer“ wurden sie von der BILD-Zeitung bezeichnet, die klinge wie ein Schwarm „asthmatischer Kanarienvögel“. Andere finden das Nasenflötenorchester einfach „umwerfend komisch“ (Neue Mittelland Zeitung). Zum Repertoir der Berliner gehören u. a. Apache, Tip Toe, Der 3. Mann, Zorbas The Greek, Je t'aime, My Way, Fever, Beethovens 5. (Auszüge), For A Few

Dollars More, Somewhere over the Rainbow und Fever.



Das Konzert der „ältesten Boygroup der Welt“ (Selbstbezeichung) findet im Rahmen des ersten sprechstation-Frühschoppens mit Weisswurst und Bier im Klimperkasten statt. Thomas Kapielski löst mit dem Auftritt ein Versprechen – oder eine Drohung? - ein, dass er den Konstanzern bei seiner Lesung im Herbst vergangenen Jahres gab:

„Ich komme zurück, aber dann bring ich die Nasenflöten mit“. Das Konzert und die Frühschoppen beginnen um 12 Uhr. Vorverkaufskarten gibt es ausnahmsweise nicht, eine Reservierung ist jedoch auf der Homepage www.sprechstation.de möglich.



Weitere Informationen: http://www.sprechstation.de

Thomas Kapielskis Nasenflötenorchester beim Frühschoppen am 22.05.05



Nach dem Auftritt des Schaffhauser Slampoeten Gabriel Vetter geht es weniger Stunden danach im Konstanzer Klimperkasten direkt weiter mit einer weiteren sprechstation-Veranstaltung, diesmal allerdings der eher ungewöhnlichen Art: Der Berliner Kult-Autor Thomas Kapielski kommt am Sonntag, den 22.05.05 um 12 Uhr mit dem 10-köpfigen „Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchester“ zum ersten Klimperkasten-Frühschoppen der sprechstation.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen