Mittwoch, 3. Juli 2013

Das erste Steißlinger Literaturwochenende

Zwischen dem 27. und 30. Juni haben sich im Steißlinger Rathaus fünf Schreibende dem Steißlinger Publikum vorgestellt.

Den Anfang machten am Donnerstag Chris Inken Soppa aus Konstanz und Oliver Gassner aus Steißlingen. Chris Inken Soppa stellte ihren neusten Roman “Ring der Narren. Kostüm und Verklärung” vor und präsentierte humorvoll einige der Hauptfiguren: den sensiblen und mit dem absoluten Gehör begabten Sohn von Renee, Renee die abgestürtze Zirkusprinzessin, die jetzt einen Second-Hand-Laden in Konstanz betreibt und Milton, den akademischen Nichtsnutz, der sich mit seinem mangelnden Einfühlungsvermögen schon einmal eine blutige Nase von einem Polizisten holt. Auf der Suche nach dem Glück stolpern Soppas Figuren durch ihr Leben - ob das gut geht?

Gedichte aus den letzten 25 Jahren und zwei experimentelle Prosa-Kurztexte las Oliver Gassner. Während bei den Gedichten aus Alltagsbeobachtungen durch sprachliche Verschiebungen Verfremdungseffekte und Tiefe erzeugt werden, überraschen die teilweise mit Computerunztertstützung erzeugten Text-Schnitte der experimentellen Versuche mit ungewöhnlichen Sichtweisen auf nur allzu bekannte Texte wie das “Abendlied” von Matthias Claudius.

Bei seiner Begrüßung am Samstag wies Bürgermeister Artur Ostermaier darauf hin, dass die Arbeit der kulturellen Initiativen in Steißlingen eine sinnvolle und nicht weg zu denkende Ergänzung zu der Bildungsarbeit sei, die man nun auch mit der Gemeinschaftsschule in den Vordergrund stelle. Er freue sich, dass nun auch die Literatur ihren Platz in der Vielfalt der Steißlinger Kultur finde. Er begrüßte außerdem an diesem Abend alle fünf am Wochenende lesenden Autoren, unter ihnen auch den Vorsitzenden des Schrifstellerverbandes Baden-Württemberg, Matthias Kehle aus Karlsruhe.

Am Samstag stellte der Stuttgarter Autor Rainer Wochele seinen Roman “Samt und Seide” vor. Hier treffen zwei ungleiche Charaktere aufeinander: Ein Hartz-4-beziehender Computerspezialist, der in einem Zelt am Waldrand haust und eine steuerflüchtige Modemanagerin, die beim Versuch sich nach Moskau abzusetzen, mit ihrem Porsche in einer Sandgrube nahe des Obdachlosen liegen bleibt. Wochele skizzierte aus der Innensicht der beiden Figuren ein Duell: das der kommandierenden Managerin mit dem Obdachlosen, der eine Chance wittert, sich finanziell zu sanieren. Kann daraus eine Liebesgeschichte werden? Für seinen Roman hat Wochele nicht nur in der Esslinger Obadchlosenszene intensiv recherchiert, er hatte auch von Porsche einen Testwagen eine Woche zur Verfügung. Beides verleiht den lebendigen Schilderungen der beiden Figuren Farbe und Tiefe. Von Rainer Wochele war auch zu erfahren, wie die praktische Arbeit eines Autors aussieht: Alle zwei Jahre will ein Verlag einen Roman sehen und nur, wenn man beim Schreiben vorab gründlich recherchiert und auch riskiert, dass alles noch einmal überarbeitet werden muss, geht es voran.

Der Sonntag stand bei einer Matinee im Zeichen der Lyrik. Matthias Kehle präsentierte Texte aus seinem neusten Gedichtband “Scherbenballett”, an dem er die letzten fünf Jahre gearbeitet hat. Daneben schreibt er Handbücher über das Wandern oder die Berge Badens: “Man will ja auch essen und trinken” bemerkt er lapidar. In Kehles Gedichten scheint zunächst alles verständlich. eine unkomplizierte und alltägliche Sprache tut sich hier auf, ein Beobachter protokolliert, was er sieht. Doch hinter den scheinbar unverbindlichen Dialogen von Menschen im Zug oder hinter Beobachtungen in der Stadt tuen sich Rätsel und Tiefen auf.

Ein Beobachter ist auch Markus Manfred Jung aus dem Wiesenthal. Er arbeitet als Deutschlehrer und schreibt Gedichte, Theaterstücke und Glossen im Dialekt des Hochrheins, “der Melodie meiner Kindheit”, wie er sagt. Besonders angetan haben es ihm die Quaken, die Nachtkrappen, die Krähen, denen er den Großteil seines neuen Gedichtbandes gewidmet hat. Als Verkörperungen von Tod, Unheil und brillanter Intelligenz bilden sie die Bildbrücke, auf der sich der Autor der zurückweichenden Natur, der grausam faszinierenden Tierwelt nähert. Heiterer gestimmt sind Jungs Glossen in der Badischen Zeitung, in denen er die Unarten seiner Umgebung aufspießt und uns beispielsweise beim Protokoll eines Dialogs zweier Wartezimmerbesucherinnen humorvoll in Situationen entführt, die wir alle nur zu gut kennen.

Organisiert wurde das Wochenende von der Gemeinde Steißlingen im Zusammenarbeit mit Sabine und Oliver Gassner und dem Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden Württemberg e.V.

Chris Inken Soppa: “Ring der Narren”, Roman

Oliver Gassner u.a. in “aber es gab noch einen anderen Fisch: Poesie und Prosa der Meersburger Autorenrunde”

Rainer Wochele: “Sand und Seide”, Roman

Markus Manfred Jung: “gopaloni” (Glossen) und “Verfranslet dini flügel” (Gedichte)

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