Vielleicht besser ein spätes Bekenntnis als gar keines. Ich frage mich eher, warum Grass sich das noch angetan hat. Wie lange hätte der Mann noch unbehelligt leben können? 5, 10 Jahre maximal. Die versaut man sich doch nicht freiwillig. Warum also hat er das getan?
Plagte ihn wirklich so sehr das Gewissen? Aber der eine oder andere aus dem Kollegenkreis hat es doch ohnehin schon gewußt. Dabei hätte man es belassen können.
Promotion für das neue Buch? Eine Unterstellung des Zentralrats. Außerdem kennt Grass Walser gut genug, um zu wissen, wie solche „Promotionevents” in die Hose gehen können. Walser wird seines Lebens nicht mehr froh, er ist ein mehr oder weniger gebrochener Mann. Wer wird dem nacheifern wollen?
Wollte er noch die Möglichkeit haben, zu Lebzeiten darauf zu reagieren?
Hatte er wie sein Verlag (angeblich) nicht mit solch einer wuchtigen Gegenreaktion gerechnet? Nach dem Motto: „Jetzt nach der WM herrscht hier plötzlich ein solch positives Allgemeingefühl, besser wird's nicht mehr, jetzt laß es raus!” Aber so naiv kann man inclusive Verlag doch nicht sein, daß man die Profilierung kultureller Hinterbänkler aus der deutschen Flachlandzone unterschätzt, besonders wenn es sich dabei um geistig und moralisch kränkelnde CDUler handelt.
Interessant ist mal wieder die internationale Presse, die sich im großen und ganzen totlacht über die übertriebenen deutschen Reaktionen. Wir sind immer noch Weltmeister der Selbstbezichtigung. Mit Ausnahme der Polen, die geifern und geifern, und die es gerade nötig haben mit ihrer xenophoben Regierung, der das natürlich genau in die deutschlandfeindliche Politik paßt.
Übrigens sollte ich noch dazusagen, daß ich kein Grass-Fan bin, weder literarisch noch menschlich. Sein Austritt aus dem Schriftstellerverband hat mich damals sehr getroffen, seitdem kann er mich endgültig. Trotzdem finde ich die Reaktionen unmäßig, dämlich, doof, sauregurkenunzeitig und echt - doioioioioitsch.
Realschulmaurer und CDU-Kulturhinterschinken Wolfgang Börnsen aus dem extrem kunstprogressiven Wahlkreis Schleswig-Flensburg forderte Günter Grass in der Bild dazu auf, den Nobelpreis zurückgeben. Der Autor habe sein Leben lang hohe moralische Ansprüche vor allem an Politiker gestellt. „Diese Ansprüche sollte er jetzt auch an sich selbst stellen und alle Ehrungen, die er erhalten hat, in honoriger Weise zurückgeben - auch den Nobelpreis”. - Meint Herr Börnsen damit, daß Günter nur seine Preise zurückgeben soll oder auch noch die Preisgelder? Könnte Herr Börnsen nicht mit gutem Beispiel vorangehen und erst einmal sein Sprachzentrum zu einer Generalüberholung zurückgeben?
Gut geschrieben, treffend analysiert. Ich halte es mit Juli Zeh: Das sogenannte Geständnis lässt mich kalt. Die Reaktionen darauf waren (und sind) alle vorhersehbar und nerven bloß. Soll jeder mal in seiner Biografie ins 15./16./17. Lebensjahr zurückblättern - da wären jede Menge Geständnisse möglich. Und nicht die angenehmsten. Vielleicht ist Herr Grass über den hohen Anspruch seiner Selbstmoral gestolpert, vielleicht erlag er einem Reinigungszwang - das weiß nur er selbst. Seine Begründung wirkt seltsam hilflos, und jetzt endlich zu Wichtigerem: Was gibt's Neues vom Schriftsteller von Arndt?
AntwortenLöschenBitte um Entschuldigung, hab den Kommentar erst jetzt entdeckt...
AntwortenLöschenDanke der Nachfrage. Der Schriftsteller bereitet sich auf eine kleine und eine größere Veröffentlichung nächstes Jahr vor. Bis dahin werde ich allerdings sicher noch die eine oder andere Werbung schalten in diesen medialen Eregniszentren. Grüße!